Initiative für eine gerechte Geburtshilfe in Deutschland - Information, Austausch, Diskussion.
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Auch das ist Gewalt (2)

"Schon eine Woche über dem Termin?!

Das Kind wird übertragen.
Wir müssen einleiten!"

 

Angst schürende Berechnungen des Entbindungstermins (ET), die sich später als falsch erweisen, mit welchen die Mutter aber zu bestimmten geburtshilflichen Interventionen gedrängt wird, sind eine häufige Form der Gewalt unter der Geburt.

 

Falsche Berechnungen, wie z.B. durch ungenaue Ulltraschallmessung zur Feststellung des voraussichtlichen Geburtstermins, kommen sehr oft vor. Dies ist in der Methode begründet:

 

„Die retrospektive Festlegung des Schwangerschaftsalters mittels Sonografie beruht auf Berechnungen, die aufgrund natürlicher und individueller Einflüsse sowie technischer und subjektiver Mess-Ungenauigkeiten stark fehlerbehaftet sind.“ heißt es 2016 in der Fachzeitschrift FRAUENARZT.

 

Nicht nur, dass es zu technischen Messfehlern kommt, auch diverse Einflussfaktoren für Schwangerschaftsdauer und Größe des Kindes werden in der Regel bei der Bestimmung nicht ausreichend beachtet, sodass zusätzliche Berechnungsfehler entstehen können (Einflüsse wie z.B. Alter/Schwangerschaft/Bewegung der Mutter, Geschlecht des Kindes, Jahreszeit u.a., vgl. S.485).

 

Gynäkologen sind daher eigentlich angehalten, den ET als „grobe Abschätzung“ nicht jedoch als „genaue Festlegung“ zu sehen und dies auch bei möglichen Interventionen (z.B. einer Einleitung) zu berücksichtigen (vgl. S.484).

 

Letzlich ist der Terminus (errechneter Entbindungstermin) an sich irreführend.

 

 

Gewalt thematisieren am 25. November bei der Roses Revolution - #rosrev

In der Praxis kommt es jedoch häufig zu Interventionsketten, die vielleicht gar nicht nötig gewesen wären, da die Einleitung nur aufgrund eines "(v)errechneten" Geburtstermins erfolgte. Doch das birgt Risiken! So steigt beispielsweise die Wahrscheinlichkeit für einen Kaiserschnitt oder die Gabe einer PDA nach einer Einleitung rapide an (vgl. von Ehrental et al 2010 sowie Cochrane Studie).

 

Zudem sind Schwangere, welche den ET "überschritten" haben, aber eine außerklinische Geburt anstreben, gezwungen, ab ET+3 (Tage) zur Kontrolle beim Gynäkologen zu gehen. (Regelung der Krankenkassen von 2016.) Dies schafft oft viel Unruhe, Frustration und Angst. Ebenso ist es für Schwangere, die bei ET+7 sind und in einer Klinik gebären wollen (Umgang kann von Klinik zu Klinik variieren). Sie erhalten oft eine Risikoerklärung, die sie alle zwei Tage neu unterschreiben müssen: darüber, dass sie das lebensbedrohliche Risiko eingehen, ihr Kind zu übertragen und nicht einzuleiten. So eine Behandlung bedeutet Stress für Mutter und Ungeborenes, den es immer zu verhindern gilt.

 

Dass es zu vielen Rechenfehlern bei der ET-Bestimmung kommen kann, hat die oben genannte Studie gezeigt. Die einzige logische Konsequenz muss lauten, dass sich beim Umgang mit einer "Terminüberschreitung" (nicht zu verwechseln mit einer echten "Übertragung") grundsätzlich etwas ändern muss. Der ET muss als das, was er ist, gesehen werden: eine "grobe Abschätzung" zur ungefähren Bestimmung  des Geburtszeitraums (und dieser variiert bis zu 37 Tage, Jukic et al 2013). Denn Kinder haben ein Recht darauf, sich gesund und vollständig zu entwickeln und nicht frühzeitig auf die Welt geholt zu werden. Kinder und Mütter haben das Recht auf bestmögliche gesundheitliche Versorgung und körperliche Unversehrtheit und die werden nicht durch einen 'v'errechten Geburtstermin und durch all die damit verbundenen Folgen erreicht.

 

Die Einleitung mit dem Medikament Cytotec im Off-Label-Use birgt eigene Risiken und wird hier extra thematisiert.

 

Frauen, die respektlose oder gewaltsame Geburtserfahrungen machen mussten, können am 25. November an der Roses Revolution teilnehmen.

 

 

Weiterlesen zum Thema "Auch das ist Gewalt": Kristellern | Fehlschätzung des Gewichts | Einleitung mit Cytotec |Dammschnitt | Kaiserschnitt 

 

 

 

 

 

 

Mascha Grieschat - 26.10.2016,  Ergänzungen: 06.11.2016

Stand: 09.11.2023

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