Initiative für eine gerechte Geburtshilfe in Deutschland - Information, Austausch, Diskussion.
Initiative für eine gerechte Geburtshilfe in Deutschland - Information, Austausch, Diskussion.

Ungerechte Geburt

Leider noch nicht im Grundrecht verankert... - Protest-Plakat von Peter Stalder -

Nach einer ungerechten Geburtserfahrung ist es besonders wichtig, dass Du Dir und Deiner Familie Gutes tust. Überlege, was Dir helfen kann. Vielleicht findest Du auf der Linksseite ein paar Tipps oder bei den Hilfeangeboten zur Verarbeitung nach schweren Geburten.

 

Akut

Solltest Du sofort mit jemandem sprechen wollen, erreichst Du das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen" unter der Nummer 08000 116 016 rund um die Uhr. (Auch Angehörige, Freunde sowie Fachkräfte können sich anonym und kostenfrei beraten lassen.) Hilfetelefon nach schwieriger und belastender Geburt: 0228 92959970, hat Telefonsprechzeiten (siehe Link). Es betreut zur Roses Revolution mit zusätzlichen Gesprächsplätzen.

 

Situation erkennen

Scheue Dich nicht davor, über Dein Geburtserlebnis immer wieder und wieder zu sprechen, es wird Dir helfen, das Erlebnis zu verarbeiten. Verdrängst Du es, wird es sich an anderer Stelle zeigen. Es gibt viele Studien, die zeigen, dass z.B. eine posttraumatische Belastungsstörung, eine Wochenbettdepression bei SCHNELLER HILFE gar nicht erst auftreten müssen. Darum fülle einfach den kurzen Fragebogen (EPDS) aus, um Dir Klarheit über Deine Situation zu machen. Trotzdem gilt: Auch Jahre später kannst Du Dein Erlebnis noch be- und verarbeiten.

 

Geburtshelfer/innen, die während der Arbeit Zeugin/Zeuge von Gewalt in der Geburtshilfe wurden, finden hier weitere Hinweise (z.B. Fortbildungen).

 

Gedanken ordnen

Um sich selbst klarer zu werden, was eigentlich passiert ist, hilft es, einen eigenen Geburtsbericht  zu verfassen. Bitte um Unterstützung, wenn Du es selbst nicht schaffst und die Flash-Backs (Überwältigung durch Erinnerungen) zu stark sind. Bilder, Geräusche, Stichworte, Uhrzeiten, Gefühle, vor allem Fragen werden aufkommen. Vielleicht kannst Du einige von ihnen beantworten. Dies bringt Dir etwas der Kontrolle zurück, die Du unter der Geburt verloren hast. Und das ist bereits Teil des Heilungsprozesses, auf den Du Dich begeben wirst. Hier findest Du eine Anleitung zum Schreiben eines heilenden Geburtsberichts.

Auch ein Gedächtnisprotokoll, eine weitgehend sachliche Beschreibung mit Uhrzeiten, bringt Struktur in die Gedanken. (Sofern ein Behandlungsfehler vorliegt, ist dieses auch für weitere rechtliche Schritte wichtig.)

 

 

Verständnis

Hilfreich kann es ebenfalls sein, den Geburtsbericht der Klinik mit Deiner Hebamme (oder Frauenärztin - je nach besserem Kontakt) noch einmal durchzusprechen, um im Nachhinein vielleicht Dinge zu verstehen, die während der Geburt zu schnell gingen. Merke: Du hast ein Anrecht, die Krankenakte/das Geburtsjournal einzusehen (§ 630 g BGB). Viele Kliniken bieten diesen Service kostenfrei an, andere fordern Kopierkosten von bis zu 50 Cent pro Blatt. Hier findest Du ein Musterschreiben zum Anfordern des Berichts.

 

Dialog/Nachgespräch

Ein klärendes Nachgespräch mit den Beteiligten der Geburt durchzuführen (Hebamme, ÄrztInnen, AnästhesistInnen) kann manchen Müttern (sowie Vätern oder anderen Begleitern) ebenso helfen, die Geburt zu verarbeiten. Leider wird dies nicht immer ermöglicht, da es kein Recht auf ein solches Gespräch gibt. Außerdem kann es zu weiteren Kränkungen führen. (Wenn das Anliegen z.B. nicht ernst genommen oder unsensibel kommentiert wird: "Das kam ihnen nur so vor, sonst bekommen wir nur gute Rückmeldungen von Eltern.") Darum ist es ratsam, sich bewusst zu machen, was man von diesem Gespräch erwartet und welche Ziele man hat. Wenn man möglicherweise noch nicht in der Lage ist, wartet man einige einigen Wochen oder Monate und überlegt dann neu, ob/wann man es möchte. Sehr wichtig ist es,  immer mindestens eine Begleitperson seines Vertrauens dabei haben, diese dient sowohl der emotionalen als auch der rechtlichen Unterstützung (Begleitperson kann ggf. etwas bezeugen). Ein Gesprächs-/Gedächtnisprotokoll hat sich ebenfalls bewährt.

 

Gerechtigkeit

Welchen individuellen Weg Du gehst, wenn es zu Körperverletzung, Missachtung der Aufklärungspflicht, Behandlungsfehlern o.ä. gekommen ist, musst Du ggf. mit einem Anwalt/einer Anwältin besprechen. Es hängt stark davon ab, was Dein Ziel ist.

 

Hier einige Möglichkeiten:

  • Beschwerdebrief beim Qualitätsmanagement der Klinik schreiben.
  • Strafanzeige bei der Polizei stellen (kostenfrei) - Hier findest Du einen Leitfaden. Solltest Du auch klagen wollen, so empfiehlt es sich oft, dies zuerst zu tun, sofern keien Verjährungsfristen überschritten werden. (Das kann aber variieren.)
  • zivilstrafrechtlich vorgehen bzw. Klage einreichen (am besten mit Rechtschutzversicherung möglich, da hohe Kosten auf einen zukommen können), eine Erstberatung und -einschätzung ist meist kostenfrei. 
  • bei der eigenen Krankenkasse (gesetzlichen) nach §66 SGB einen vermuteten Behandlungsfehler melden, diese werden es durch den "Medizinischen Dienst der Krankenkassen" prüfen lassen, den man ebenfalls kontaktieren kann (kostenfrei).
  • Schlichtungsverfahren bei der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen beantragen (kostenfrei). Diese Stelle wird von den Berufshaftlichtversicherungen der Ärzte finanziert. Die Quote, bei denen tatsächlich ein Behandlungsfehler nachgewiesen wird, beträgt lediglich ein Viertel. Die Neutralität wurde in der Presse angezweifelt.

In jedem Fall empfiehlt es sich, bei einer rechtlichen Auseinandersetzung für professionellen emotionalen Beistand zu sorgen. Hilfe gibt es bei Frauenberatungsstellen.

 

Falls man die Gewalt bezeugte, sind ein Beschwerdebrief und eine Strafanzeige auch anonym als Mitarbeiter/in möglich. 

 

Leider hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass bei mutmaßlichen Behandlungsfehlern in der Geburtshilfe, welche Schädigungen an der Mutter zur Folge hatten, nur selten der Patientin Recht zugesprochen wurde. So gibt es nicht eine einzige erfolgreiche Klage im Zusammenhang mit einem nicht notwendigen Kaiserschnitt oder Dammschnitt (wenn, dann nur sogenannte Vergleiche, also eine Einigung der Parteien ohne Richterspruch). Die geringe Aussicht auf Erfolg sollte jedoch kein Ausschlusskriterium sein, denn zu Schlichtungen (z.B. Schadensersatzzahlungen) kam es sehr wohl. 

 

In diesem Zusammenhang ist der Artikel Klage nach vermeidbarer Sectio (DHZ, Katharina Hartmann) auf PatientundAnwalt.de zu empfehlen, hier zu mehr Anwaltslinks.

Entscheidend für einen Erfolg waren häufig die Sachverständigengutachten, denn leider sind die Gutachten oft von mangelnder Qualität und überwiegend ärztefreundlich (vgl. Ärztezeitung). Problematisch sind auch die fehlenden gültigen Leitlinien.

 

Hilfe annehmen

Zum Hilfe suchen gehört auch, Hilfe anzunehmen. Hier noch einmal der Verweis auf die Linkliste mit Hilfeangeboten.

 

Selbsthilfe

In diversen Städten gibt es Selbsthilfegruppen - eine Gründung ist unkomplizierter, als viele glauben und ist einer von vielen Wegen, mit dem Trauma, der Erfahrung umzugehen. Hier zur Übersicht der Selbsthilfegruppen auf gerechte Geburt.

 

Am Ende noch ein Hinweis: Lass Dich nicht von unschönen Bemerkungen kränken (siehe Foto "Bullshit-Bingo") unten. Viele Frauen hören leider genau solche Sätze. Hier findest Du noch andere themenverwandte Bullshit-Bingos.

Hattest Du eine ungerechte Geburtserfahrung?

 

Dann werde Teil der Revolution "Roses-Revolution" - am 25.November werden Rosen vor den Kreißsälen niedergelegt. Schreibe Dir die Ungerechtigkeit von der Seele, wie ausgeliefert Du Dich gefühlt hast, (vielleicht auch Dein Partner) dass Du ohnmächtig warst, weil Dir keiner die Interventionen erklärt hat, auf einmal alles so schnell ging - der Dammschnitt, den Du gar nicht wolltest, dass plötzlich Leute auf Deinen Bauch sprangen, dass Du eigentlich gar keine PDA wolltest... dass Du Dich in Deinen Rechten beschnitten gefühlt hast. Und lege diesen persönlichen Brief am 25.11. in der Klinik ab, in der Du entbunden hast. Denk daran, Du bist nicht alleine. Weltwelt ist eine Bewegung gestartet, welche für eine gerechte Geburtshilfe kämpft, für mehr Rechte für Mutter und Kind unter der Geburt, denn es geht um mehr als ums reine Überleben.

 

Auch als Geburtshelfer kann man in traumatische Geburtsabläufe verwickelt werden, wie diverse Hebammen berichten. Wichtig wäre, dass auch Klinikhebammen aufstehen und etwas gegen wirtschaftlich optimierte Geburten sagen, denn  ... "gute Geburt heißt nicht, mit oder ohne PDA zu gebären, sondern eine Geburt zu erleben, bei der die Würde und die Selbstbestimmung der Frau gewahrt bleiben." (Zwischen Trauma und Traumgeburt - eine Hebamme berichtet über den Klinikalltag 01.05.15)

Stand: 09.11.2023

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